Die erste ImpAct Masterleague der DGOI am 25. und 26.Oktober 2019 im Lufthansa Kongresshotel in Seeheim-Jugenheim war ein voller Erfolg: Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets, Fortbildungsreferent der DGOI, und Prof. Dr. Daniel Grubeanu, Präsident der DGOI, hatten über 30 führende Experten aus Wissenschaft und Praxis zum wissenschaftlichen Diskurs eingeladen. Die Idee des neuen Kongressformats kam auch bei den Kollegen sehr gut an. Mit 170 Teilnehmern war die Veranstaltung ausgebucht.
„Die Entscheidung, mit der ImpAct Masterleague ein neues Veranstaltungsformat zu installieren, war genau richtig“, resümiert Prof. Dr. Daniel Grubeanu, Präsident der DGOI, denn: „Die Kollegen haben die Idee eines modernen, interaktiven Kongressformats sehr gut angenommen. Unsere erste ImpAct Masterleague war überraschend schnell ausgebucht.“ So kommentierten am Samstagnachmittag viele Teilnehmer und Referenten das neue Kongressformat gleichermaßen mit „hervorragend, ein tolles wissenschaftliches Programm, erfrischend anderes Konzept, nahbare Experten, der beste Kongress der DGOI“. Der Charme von ImpAct Masterleague lag für sie vor allem in den Disputationen. Diese eröffneten ihnen die Möglichkeit, unterschiedliche Sichtweisen in der Tiefe zu diskutieren und Studienergebnisse durchaus kritisch zu reflektieren. Da die Veranstaltung bewusst auf maximal 120 Teilnehmer limitiert war – wegen der großen Nachfrage wurde dieser Rahmen dann noch einmal erweitert, entstanden lebhafte Diskussionen zu den Pros und Contras der jeweiligen Themen. Auch die Teilnehmer brachten sich aktiv in den Austausch ein. Spürbar war: Ob Kollegen oder Experten – sie brennen für die orale Implantologie und wollen diese im Sinne ihrer Patienten nach vorne bringen.
Digital ist kein Dogma
So lautete die Take-Home Message der ersten Disputatio am Freitag, die sich der Frage „Analog versus digital – was und wie viel brauchen wir wirklich?“ widmete. Prof.Dr.Florian Beuer MME, Berlin, moderierte die Diskussion mit Dr.Marcus Engelschalk, München, pro digital und Dr.Georg Bayer, Landsberg am Lech, der den analogen Weg beschrieb. Während in der Zahntechnik die CAD/CAM-gefertigte Imlantatprothetik an der Tagesordnung ist, ist die Frage für Zahnärzte: „An welchem Punkt steigen wir in den digitalen Prozess ein?“
• Digital Smile Design, Intraoralscanner (IOS), DVT/CT und Guided Surgery wurden als unterstützende digitale „Handwerkszeuge“ definiert, mit denen Arbeitsabläufe einfacher gestaltet und die steigenden Anforderungen der Patienten vorhersagbarer erfüllt werden können.
• Die digitale Abformung mittels IOS kann der erste Schritt zur Implementierung des digitalen Workflows sein, wenn dieser im Praxisalltag konsequent für die digitale Abformung genutzt wird. Der Tipp für Praktiker: Zeit nehmen, um sich mit der neuen Technik vertraut zu machen. Kurze Implantate, die Alternative zu Augmentation? Um kurze und durchmesserreduzierte Implantate versus Augmentation ging es in der zweiten Disputatio mit Dr.Eik Schiegnitz, Mainz, und Prof.Dr.Fred Bergmann, Past-Präsident der DGOI, unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. Knut A.Grötz, Wiesbaden. Wie ein kompromittiertes Knochenlager zu kompensieren oder rehabilitieren ist, lässt sich nur indikationsbezogen und patientenindividuell beantworten:
• Für Patienten, die bei der präoperativen Risikostratifizierung im mittleren bis hohen Bereich liegen,
kann der Einsatz von kurzen (gleich/weniger als sechs
Millimeter) Implantaten eine weitere Behandlungsoption bei reduzierter vertikaler Knochenhöhe sein.
• In der ästhetischen Zone sind Augmentationen
selbst bei kleinen Knochen- und Weichgewebedefekten im Hinblick auf Ästhetik und Gewebestabilität unverzichtbar.
Spät oder sofort?
Kontrovers und lebendig diskutierten Prof.Dr.GeorgHubertus Nentwig, Vizepräsident der DGOI, und Priv.-Doz. Dr. Paul Weigl, Frankfurt am Main, über Sofortimplantation/-versorgung oder Spätversorgung. Prof. Dr. Daniel Grubeanu moderierte. Als Vorteile der Sofortimplantation/-versorgung wurden unter anderem angeführt
• das bestmögliche Regenerationspotenzial,
• der Erhalt der alveolären Strukturen und des natürlichen Emergenzprofils,
• aus Patientensicht die verkürzte Behandlungsdauer. Hingegen sprechen für die Spätversorgung
• weniger Frühverluste bei Spätimplantation und/ oder Spätversorgung,
• weniger fehleranfällige navigierte Implantatinsertion
• und: Ästhetische Nachteile hinsichtlich der Papille (gemäß Pink Esthetic Score nach Fürhauser) sind nicht belegt.
Titan ist gut, weiß ist anders
Titan- versus Keramikimplantate diskutierten Prof. Dr. Daniel Grubeanu und Prof. Dr. Michael Gahlert, München, moderiert von Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets. Unbestritten ist, dass Titanimplantate der State of the Art sind. Die Argumente für die Verwendung von Keramikimplantaten lauteten beispielsweise, dass sich weitaus weniger periimplantäre Erkrankungen als an Titanimplantaten zeigen und die Ergebnisse hinsichtlich des Pink Esthetic Score besser seien. Jedoch ist beim Einsatz von Keramikimplantaten darauf zu achten, dass
• Zirkonimplantate langsam zu inserieren sind, um thermische Nekrosen zu vermeiden.
• Und: Zweiteilige Keramikimplantate haben – herstellerabhängig – unterschiedliche Schraubenanziehmomente. Prof. Dr. Grubeanu gab zu bedenken, dass das Implantatmaterial für den implantologischen Erfolg irrelevant ist. Der Erfolg hängt von anderen Faktoren ab. Sein Appell lautete deshalb: „Lernt genau die Kautelen, die für Implantate gelten.“
Special Lectures zu KFO, Endo und Studiendesigns
Out-of-the-Box-Themen ergänzten das Programm sinnvoll. So fragte der KFO-Experte Prof.Dr.Peter Proff, Regensburg: Wie viel KFO braucht die Implantologie? Es sei bei jüngeren Patienten auch die KFO-Alternative zum Zahnimplantat zu betrachten, wenn es um einen Lückenschluss aufgrund eines nicht angelegten Zahns oder nach einem Trauma geht. Seine Message:
• Es gehe nicht nur um die Betrachtung der einzelnen Lücke, sondern um die Gesamtanalyse des Patienten im Sinne eines synoptischen Behandlungskonzepts.
Zahnerhalt mittels Endo oder Extraktion und Implantat? Grundsätzlich sollte laut Prof.Dr.Edgar Schäfer, Münster, vor einer Wurzelkanalbehandlung abgeklärt werden, ob der Zahn erhaltungswürdig und -fähig sei, und wie Endodont, Parodont und die prothetische Wertigkeit im Einzelfall zu bewerten sind. Er sieht die Entscheidung für den Zahnerhalt mit einer Endo bei
• Vitalexstirpationen,
• pulpa-avitalen Zähnen ohne periradikulären Läsionen und
• pulpa-avitalen Zähnen mit periradikulärer Läsion, wenn alle Wurzelkanäle instrumentierbar sind.
Dass sich die Analyse so manch einer Studie zu dem Thema Plattform Switching infrage stellen lässt, zeigte Priv.-Doz. Dr. Dietmar Weng, Starnberg, auf humorvolle Art. Grundsätzlich brauchen wir mehr Studien, die „sauber“ gemacht sind. Der wissenschaftliche Hintergrund mit systematischen Reviews und Metaanalysen zeigt keine klinische Überlegenheit des Plattform Switching. Wichtig für den Knochenerhalt ist eine dichte Verbindung. So lautete Dr. Wengs eingängiges Fazit:
• „Sei der Switch auch noch so groß, ist’s net dicht,
wirst Knoche los.“
Sessions Hart- und Weichgewebemanagement, Periimplantitis
In diesen Vortragsblöcken beleuchteten weitere exzellente Referenten kurz und knapp unterschiedliche Aspekte rund ums Weichgewebemanagement mit konkreten Ergebnissen, zum Beispiel:
• Das Weichgewebe lässt sich am besten mit individuellen CAD/CAM-Abutments stützen, die jedoch an der Schulter nicht zu rau sein dürfen.
• Neue Materialien zur Weichgewebeverdickung (Fibro Guide) zeigen in Kombination mit Tunnelierungstechniken, die in der Weichgewebechirurgie State of the Art sind, gute Ergebnisse.
• Take-Home Message: Lernen Sie mukogingivale Chirurgie.
Im Sinne eines besseren Weichgewebemanagements gilt es aus kieferchirurgischer Sicht, die biologischen Grundlagen und die Phasen der Wundheilung zu verstehen. So lässt sich mit wachstumsfaktorenreichem Blutplasma wie PRF, PRP und PRGF die Wundheilung beschleunigen. Hingegen sei der klinische Nutzen von PRP bei der Sinusbodenelevation nicht wissenschaftlich belegt. Der Einsatz von PRGF im Hartgewebe wurde im Zusammenhang mit biologischen Knochenblöcken (Kieler Sushi nach Dr.Oliver Zernial, Kiel) als mögliche Alternative zu Schalentechnik und Beckenkammaugmentat diskutiert. Als Alternative zur Sinusbodenelevation können kurze Implantate mit einer Länge von fünf Millimetern zum Einsatz kommen; allerdings ist die Langzeitprognose noch unklar.
Im Themenblock Periimplantitis gab es einige klare Schlussfolgerungen, zum Beispiel:
• Eine Periimplantitis ist etwas anderes als eine Parodontitis am Implantat.
• Eine behandelte Parodontitis ist zwar ein Risikofaktor, jedoch keine Kontraindikation. Aber: Bei Patienten mit parodontaler (PA-)Vorerkrankung scheinen häufiger periimplantäre Entzündungen aufzutreten.
• Es findet signifikant mehr Knochenabbau bei dünnerem suprakrestalen Weichgewebe statt. Deshalb kann das Weichgewebe nicht dick genug sein, um den Knochen zu schützen.
• Ohne Nachsorge sind Attachmentverluste nachweisbar.
• Die Periimplantitistherapie ist häufig nicht befriedigend.
10 Minuten – meine Tipps kurz und Knapp
In dieser Session lag für die namhaften Referenten die Herausforderung darin, ihre Tipps innerhalb von nur zehn Minuten auf den Punkt zu bringen. Dabei ging es überwiegend um die Vorteile eines digitalen Workflows aus zahnärztlicher und zahntechnischer Perspektive:
• So erhöhen digitale Technologien die Vorhersagbar von Behandlungsergebnissen, vereinfachen Arbeitsabläufe und tragen zu nachhaltigen Resultaten bei.
• Mit dem IOS lassen sich im Vergleich zur analogen Abformung mehr Informationen erheben, zum Beispiel die Zahnfarbe.
• Auch in Verbindung mit einem Digital Smile Design lässt sich die Vorhersagbarkeit des visualisierten Ergebnisses steigern.
Interessant war auch der Ausblick auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz für Befundungssoftware. Außerdem ging es in dieser Session auch um Risikofaktoren wie Diabetes, Parodontitis, Rauchen, Psychopharmaka sowie metabolische und onkologische Risikopatienten. Worauf man sich in den nächsten Jahren einstellen muss: Die Zahl der Bisphosphonatpatienten wird steigen. Die Empfehlung: Die Anamnese sollte unter diesen Aspekten deutlich erweitert werden.
Fazit
Leidenschaftlich geführte Disputationen, hervorragende und auch nahbare Experten, exzellente Kurzvorträge, klare Botschaften für Praktiker, ein weit gefasstes Themenspektrum – die ImpAct Masterleague hat bewiesen, dass es für die Kollegen, die mit Leidenschaft die Implantologie in der Tiefe ausüben, eine deutlich interessantere und modernere Alternative zu den konventionellen Kongresskonzepten mit trockener Faktenvermittlung in langatmigen, aneinandergereihten Vorträgen gibt.